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Mikrointerventionen in der Führung:

Kleine Schritte, große Wirkung für starke Teams

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit – geprägt von Inflation, Teuerung und raschem Wandel – erleben viele Führungskräfte einen Zustand der Lähmung. Entscheidungen werden hinausgezögert, aus Angst, sie könnten das Team destabilisieren oder unerwünschte Konsequenzen nach sich ziehen. Doch genau in diesen Momenten zeigt sich, wie entscheidend mutige Interventionen sind. Wenn Planung und Sicherheit fehlen, bleibt nur eines: Handeln und aus den Reaktionen lernen. Ein systemisches Prinzip, formuliert von Thorsten Groth, bringt diese Haltung auf den Punkt: „Willst du dein Team oder deine Organisation kennenlernen, dann interveniere.“ Was bedeutet das in der Praxis – und welche Chancen birgt es?

Das neue Prinzip – Intervention zuerst!

Stellen Sie sich folgende Frage: Wie gut kennen Sie Ihr Team wirklich? Und wie könnten Sie mehr über seine Dynamiken, Stärken und Schwächen erfahren? Das systemische Prinzip der Intervention ermutigt dazu, genau hier anzusetzen: Natürlich ist es wichtig, mit etwas Abstand alles im eigenen Verantwortungsbereich zu beobachten. Aber daraus soll rasch bewusstes Handeln folgen. Jede Intervention – sei es eine neue Entscheidung, ein Wechsel im Team oder die Einführung neuer Prozesse – wirkt wie ein Stein, der ins Wasser geworfen wird. Die entstehenden Wellen zeigen auf, wie Ihr Team funktioniert: Wo Vertrauen herrscht, wo Spannungen bestehen und welche Strukturen vielleicht angepasst werden müssen.

Die Chancen von Interventionen

Das Prinzip der Mikrointervention ist vor allem eines: pragmatisch. Es erfordert nicht, dass Sie jeden Schritt perfekt planen oder alle möglichen Konsequenzen vorab bedenken. Stattdessen geht es darum, bewusst und achtsam zu handeln – und offen für das zu sein, was daraus entsteht.

Statt großer Umstrukturierungen können Sie mit kleinen Veränderungen beginnen, wie der Neuzuweisung von Aufgaben oder der Einführung neuer Meeting-Formate. Oder nutzen Sie kurze Feedback-Schleifen, um herauszufinden, wie Ihr Team auf Veränderungen reagiert.

Der Vorteil
  1. Ungeahnte Dynamiken werden sichtbar: Ein Beispiel aus der Praxis zeigt, wie die Intervention das Team durch die Einstellung einer neuen Kollegin Spannungen zu entlasten, zu massiven Spannungen führte. Das machte sichtbar, dass im Team ungeschriebene Gesetze galten, die durch den Neuzugang zutage gerieten.
  2. Vertrauen und Offenheit wird durch Reflexion gefördert:
    Regelmäßige kleine Interventionen, wie Feedback-Runden oder agile Retrospektiven, schaffen einen Raum, in dem Teammitglieder ihre Perspektiven teilen und an gemeinsamen Lösungen arbeiten können. Solche Formate helfen nicht nur, Spannungen abzubauen, sondern auch, Vertrauen zu stärken.
  3. Lernen und Wachstum wird angestoßen:
    Jede Intervention bietet die Chance, als Führungskraft zu lernen. Warum hat eine Entscheidung bestimmte Reaktionen ausgelöst? Welche Muster lassen sich erkennen? Und welche Schlüsse können daraus für künftige Entscheidungen gezogen werden?
Beispiele für Mikro-Interventionen
  • Spontane Perspektivwechsel:
    Bitten Sie Teammitglieder in einem Meeting, kurz aus der Perspektive eines anderen zu sprechen. Wie würde diese Person ein Problem lösen?
  • Rotierende Aufgaben:
    Tauschen Sie für eine Woche Aufgaben innerhalb des Teams, um neue Blickwinkel und Stärken zu entdecken.
  • Blitzumfragen:
    Stellen Sie am Ende einer Besprechung zwei kurze Fragen: Was lief gut? Was können wir nächstes Mal verbessern?
  • Ungeplante Einzelgespräche:
    Nutzen Sie eine spontane Gelegenheit, um sich informell mit einem Teammitglied auszutauschen und deren Gedanken oder Sorgen zu erfahren.
  • Kurzzeitige Prozessänderungen:
    Testen Sie für eine Woche eine neue Struktur für Meetings oder Berichte und sammeln Sie Feedback zu den Veränderungen.

In unsicheren Zeiten, in denen klassische Planungsprozesse an ihre Grenzen stoßen, ist Mut zur Intervention gefragt. Nicht aus Unbedachtheit, sondern aus dem Bewusstsein heraus, dass nur durch Handeln neue Erkenntnisse und Chancen entstehen. Vertrauen Sie darauf, dass Ihr Team – und Sie selbst – aus jeder Intervention lernen können. Denn echte Führung zeigt sich nicht in Perfektion, sondern in der Bereitschaft, mit Unsicherheit umzugehen und daraus zu wachsen.

Quellen:

  • Groth, Thorsten: 66 Gebote systemischen Denkens und Handelns in Management und Beratung. Carl-Auer Verlag, 2015.
  • Snowden, David: „Cynefin: a sense of time and space, the social ecology of knowledge management“, in: Knowledge Horizons: The Present and the Promise of Knowledge Management, 2000.
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